Rede von Kerstin Tack im Deutschen Bundestag am 2. Juli 2015

Quelle: "Deutscher Bundestag"

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des


Rede MdB Kerstin Tack, SPD

02.07.2015 Deutscher Bundestag, TOP 9

Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch sicherstellen

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gut, dass wir dieses Thema immer wieder in den Fokus neh­men, gerade und insbesondere, wenn es um Einrichtun­gen der Kinder- und Jugendhilfe geht, um Kinder, die zum Schutz vor Gewalt im Elternhaus in die Obhut staat­lich kontrollierter Einrichtungen gegeben wurden und in diesen Einrichtungen unendliches Leid, seelischen Tod und seelische Grausamkeit erfahren.

Es ist gut und richtig, dass der Deutsche Bundestag schon vor mehreren Jahren dazu hinreichend wichtige Beschlüsse getroffen hat: die Einrichtung des Runden Tisches, verschiedene Maßnahmen, die Einrichtung der Fonds zur – man kann nicht von „Entschädigung“ spre­chen, aber ein bisschen ist es das auch – Anerkennung des Leides dieser Kinder.

Aber, meine sehr geehrten Da­men und Herren, der Runde Tisch und auch die Fonds, die eingerichtet wurden – gespeist vom Bund, von den Ländern und den Kirchen –, haben leider die Kinder, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder aber in stationären psychiatrischen Einrichtungen Miss­brauch erlebt haben, nicht in den Blick genommen. Auch in diesen Einrichtungen sind unendliches Leid, Gewalt und Missbrauch geschehen – genauso wie in den Ein­richtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Der Deutsche Bundestag hat deshalb schon im Jahre 2011 interfraktio­nell beschlossen, dass auch diese Zielgruppe in die Auf­arbeitung, in die Aktivitäten miteinbezogen werden soll.

Leider ist es bis heute nicht gelungen, auch für die Opfer von sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in stationären psychiatrischen Ein­richtungen einen Fonds einzurichten, der die Anerken­nung des Leidens dieser Kinder, die heute erwachsene Menschen sind, zum Ziel hat.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist beschämend.

Der Deutsche Bundestag hat in den diesjährigen Haushalt Mittel für den Fonds eingestellt. Die Kirchen haben sich bereit erklärt, der Drittelung entsprechend ih­ren Beitrag zu leisten. Allerdings haben sich die Länder bisher nicht durchringen können, gemeinschaftlich in diesen Fonds einzuzahlen.

Ich möchte hervorheben, dass Bayern – sehr vorbildlich – schon sehr früh seine Bereitschaft erklärt hat, in den Fonds einzuzahlen. Dafür gilt Bayern unser aller Dank.

Mittlerweile haben viele Länder erkannt, dass man sich der Verantwortung, die sich daraus ergibt, dass man die Aufsicht über diese Einrichtungen hatte, nicht entziehen kann. Trotzdem wir haben heute immer noch keinen Fonds für diese Zielgruppe.

Ich bin mir sicher, dass wir uns heute, wie schon 2011, über die Grenzen aller Fraktionen hinweg einig sind, dass es nicht nur wichtig ist, dass die Aufarbeitungskommission diese Zielgruppe in den Blick nimmt, sondern dass es genauso wichtig ist, dass auch für diesen Personenkreis ein Entschädigungsfonds auf den Weg gebracht wird. Wir sollten in einem gemeinsamen Appell in Richtung der Länder unsere Erwartungshaltung hinsichtlich einer Beteiligung am Fonds und der Übernahme von Verantwortung für diesen Personenkreis formulieren; denn auch diese Opfer haben es verdient.

Herzlichen Dank.