Im Rahmen der 10. Jahrestagung für Betriebsrätinnen und Betriebsräte in der IG BCE-Hauptverwaltung in Hannover diskutierte Kerstin Tack heute mit Edeltraud Glänzer, der stellvertretenden Vorsitzenden der IG BCE, Benjamin Mikfeld, aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und Leiter der Abt. I – Grundsatzfragen des Sozialstaates, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft, Dr. Andreas Ogrinz vom Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V., mit Frank Gottselig, Betriebsratsvorsitzendem der SCA Hygiene Products GmbH und mit Dr. Holger Schmidt, Uni-Dozent an der TU Darmstadt, Wirtschaftsjournalist und Digital Economist.

Das Thema an diesem Nachmittag waren die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung, betriebliche Mitbestimmung und Schutz der ArbeitnehmerInnen. Die Leitfragen der Veranstaltung waren, wie die eigene Perspektive auf die Digitalisierungsdebatte und die Veränderungen seien, welche größten Herausforderungen sich daraus für Betriebsräte ergäben, wer welche Verantwortung hätte (Gesetzgeber, Tarifpartner, Betriebspartner) und wie sich die Veränderungen in der Arbeitswelt bestmöglich gestalten ließen.

Edeltraud Glänzer Gastgeberin und stv. IG BCE-Vorsitzende, bekräftige zu Beginn, dass die Gewerkschaften es geschafft hätten, die Debatte um die Digitalisierung wegzuleiten von der rein technischen, hin zur sozialen Diskussion. „Das war notwendig. Nun müssen Regeln für die Arbeit aufgestellt werden, um die arbeitende Bevölkerung zu schützen. Die Uhr im Arbeitsleben dreht sich immer schneller, aber man muss sich auch teilweise selber ausbremsen, sonst droht Überlastung“, so Glänzer. Ein Ausdruck der Überlastung sei, dass die Anzahl psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren gestiegen sei. Hier müsse es Regelungen geben, die wieder zum Normalmaß der Belastbarkeit zurückführten.

Kerstin Tack nahm den Ball von Frau Glänzer sogleich auf. Regelungen für die Arbeit aufzustellen, sei Aufgabe der Politik. Es bestehe Gestaltungsnotwendigkeit und dafür müssten Gelder in die Hand genommen werden. z.B. sei es notwendig, das Betriebsverfassungsgesetz weiterzuentwickeln. „Die Arbeit wird durch Digitalisierung nicht weniger, sondern sie wird sich verändern und darauf müssen wir uns einstellen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen auf die Veränderungen vorbereitet werden, gut ausgebildet sein und im Betrieb mitbestimmen dürfen. Das ist entscheidend“, so Tack.

Benjamin Mikfeld, der bereits im Vorfeld der Podiumsdiskussion ein Referat vor den BetriebsrätInnen zum Thema „Digitalisierung“ hielt, betonte noch einmal, dass Branchen unterschiedlich betroffen seien und individuelle Anpassungsprozesse von Zeit zu Zeit erforderlich würden.

Dr. Holger Schmidt von der TU Darmstadt bemängelt, dass 80 % der Deutschen die Digitalisierung ablehnen würden. So könne sich kein Fortschritt einstellen. Auch zog er den Vergleich mit anderen Ländern, bezüglich der sozialen Netzwerke, die zweifelsohne ein Teil der digitalisierten Welt sind. „In Deutschland ist der Anteil der Akademiker in den sozialen Medien am geringsten. In allen anderen Ländern um uns herum ist der Anteil höher“, so Schmidt.

Dr. Andreas Ogrinz vom Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. konstatierte, dass die schnelllebige Zeit bei vielen Menschen Unbehagen brächte, gleichzeitig gäbe es aber auch die Möglichkeit, sich Zeiträubern zu entledigen. Oft würden Mails an die gesamte Belegschaft verschickt, die nicht alle lesen müssten u.Ä.. „Man weiß heute noch nicht, was die Digitalisierung bringt. Wir brauchen mehr Dialog und Mut, aber auch Demut, weil wir noch nichts Genaues über die digitalisierte Arbeit sagen können“, so Ogrinz.

Die zentrale Frage in der Arbeit der Zukunft (nicht in der „Zukunft der Arbeit“, so macht Edeltraud Glänzer auf den qualitativen Unterschied aufmerksam) ist die Frage, wie eine Regulierung der möglichen Probleme passieren kann.

Frank Gottselig, selber Betriebsrat in Mannheim, schlug vor, dass Betriebsräte auch bei Audits dabei sein und mitbestimmen dürften. Dadurch könnten bereits viele Probleme direkt aus der Welt geschaffen werden. Die Digitalisierung bewirke in seiner Branche, dass es kaum noch Arbeitsplätze ohne PC gäbe. Darauf müssten ArbeitnehmerInnen vorbereitet werden. Die Chance, die sich wiederum aus der Digitalisierung ergäbe, sei, dass man Steuerungsprozesse auch von zu Hause aus vornehmen könne.

Um die Herausforderungen der Zukunft positiv zu gestalten, bedarf es auch einer positiven Unternehmenskultur. Herr Ogrinz betonte die gute Zusammenarbeit zwischen der Industriegewerkschaft IG BCE und dem Bundesarbeitgeberverband in Sachen Digitalisierung.

Kerstin Tack betonte, dass es jetzt darum ginge, die Arbeitsbedingungen aktiv zu verbessern. Bildung und Qualifizierung seien zentrale Eckpfeiler. „Daher möchte ich, dass die Agentur für Arbeit zu einer Agentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickelt wird“, so Kerstin Tack, „Die Stressverordnung fand nie den Weg in die Öffentlichkeit. Bei der Verbandsklage muss auch etwas passieren. Dafür müssen allerdings die Mehrheiten im Bund vorliegen. Kleinere und mittlere Betriebe brauchen mehr Unterstützung von uns. Außerdem ist der Gesundheitsschutz des Personals sehr wichtig. Überall und zu jeder Zeit sprach- und handlungsfähig zu sein, ist belastend und nicht sinnvoll. Wir müssen den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die Produktivitätsrate“, so Tack weiter.

Letztendlich muss beobachtet werden, ob Digitalisierung im Arbeitswesen die Menschen wirklich be- oder entlastet. Dennoch sollten im Vorfeld die Weichen gestellt sein. Dort waren sich alle einig.

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v.r.n.l.: Benjamin Mikfeld, Edeltraud Glänzer, Kerstin Tack, Frank Gottselig, Dr. Andreas Ogrinz und Dr. Holger Schmidt