Kurz vor der abschließenden Beratung im Umweltausschuss hat das Bundesumweltministerium am 20.10.2011 einen Kompromissvorschlag zu den Überlassungspflichten und zur gewerblichen Sammlung vorgelegt, der von den Hauptgeschäftsführern der kommunalen Spitzenverbände mitgetragen wurde. Diese rechtfertigen ihre Zustimmung, man hätte Schlimmeres verhindern und den Kompromissvorschlag möglichst weit im kommunalen Sinne beeinflussen wollen.

Die SPD-Bundestagsfraktion teilt diese Auffassung nicht. Nach unserer Überzeugung wäre es angebracht gewesen, die öffentliche Daseinsvorsorge „Abfallentsorgung“ und somit die kommunale Ebene zu stärken. Nach dem Prinzip der Daseinsvorsorge gehört der komplette Hausmüll einschließlich seiner wertvollen Fraktionen in die Hände der öffentlich-rechtlichen Entsorger. Mit dem neuen Gesetz entstehen Gefahren und Unwägbarkeiten für die öffentlich-rechtlichen Entsorger bezüglich Zuständigkeiten und Abfallgebühren.

Die in letzter Minute eingebrachten Kompromissvorschläge zur Beschränkung gewerblicher Sammlungen gehen zwar in die richtige Richtung, reichen jedoch nicht aus. Die substantiellen Regelungen zu Lasten der Kommunen bleiben erhalten. Das betrifft die Begriffsdefinition der „gewerblichen Sammlung“ in §3 Abs. 18 KrWG wie auch der Gleichwertigkeitsgrundsatz in §17 Abs. 3. Genau diese Regelungen werden nach unserer Einschätzung das Fundament für die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge sein, da sie schließlich selbst das Argument der Gebührenstabilität aushebeln können.
Die Gleichwertigkeits- (Höherwertigkeitsklausel) ermöglicht die Durchführung gewerblicher Sammlungen bei geringeren besseren Leistungen wie z. B. einem besseren Abholrhythmus.
Wenn eine gewerbliche Sammlung höherwertig ist, muss sie zugelassen werden, egal ob sie den Bestand der öffentlich-rechtlichen Entsorger gefährdet oder zu massiven Gebührenerhöhungen führt. Bestenfalls drohen durch die Gleichwertigkeitsklausel zahlreiche Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang, schlimmstenfalls Rosinenpickerei durch gewerbliche Sammler.

Durch die Definition der gewerblichen Sammlungen in §3 Abs. 18 KrWG in Verbindung mit Gleichwertigkeitsklausel in §17 Abs. 3. §18 besteht die Gefahr, dass die Abfall-Aufgabe den Kommunen nicht mehr „eigentümlich und vorbehaltlos“ zugeschrieben werden kann und sie daher als umsatzsteuerpflichtige Betriebe gewerblicher Art einzustufen wären. Wenn die kommunalen Entsorger den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen müssen, steigen auch die Abfallgebühren.
Trotz des Kompromisses drohen weitere Privatisierungen, zumal bei der Gleichwertigkeitsklausel die Löhne und Gehälter der Beschäftigten nicht berücksichtigt werden. Es ist ein Unterschied, ob ein Müllwerker in einem Kommunalbetrieb einen ordentlichen Tariflohn bekommt oder in einem privaten Unternehmen für einen Mindestlohn von 8,33- Euro arbeitet und damit zusätzlich bei der Arge eine Aufstockung beantragen muss.

Auch aus ökologischer Sicht und im Hinblick auf den Ressourcenschutz ist das Gesetz eine Enttäuschung. Anstatt die 5-stufige Abfallhierarchie umzusetzen und das Recycling zu stärken, wird nur die 3-stufige Abfallhierarchie fortgesetzt. Abfallvermeidung wird nur als Wort aufgenommen, es wird kein Versuch unternommen, Abfallvermeidung zu stärken.
Die Recyclingquoten sollen auf ein Niveau angehoben werden, dass längst in Deutschland erreicht wird. Höhere ambitionierte Quoten würden dem Ressourcenschutz dienen und den technischen Vorsprung der deutschen Recyclingwirtschaft sichern.