Rede Disposzinsen TOP 38, 02.12.2011 Kerstin Tack, SPD

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

vor etwas mehr als einem Jahr brachte die Stiftung Warentest eine Studie heraus. Diese belegte, dass Banken horrende Dispozinsen zwischen 6 und 16 % verlangen.

Unsere Verbraucherschutzministerin Aigner nahm sich des Themas an. Wie? Wie immer: Sie kündigte an, dass sie eine ausführliche Studie zum Zinsanpassungsverhalten in Auftrag gebe. Damit gewinnt Zeit, ohne handeln zu müssen.

Heute deutlich mehr als ein Jahr später kam aus dem Hause Aigner…nichts! Dabei ist Frau Aigner das Problem bereits seit 2009 bekannt. Damals sagte sie: „Die Zinssenkungen müssen unverzüglich an die Kunden weitergegeben werden.“

Es handelt sich hier um ein Problem das die Großzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher angeht. Der Dispositionsrahmen wird heutzutage von den meisten genutzt. Er gibt die Möglichkeit kurzfristige finanzielle Durststrecken zu überbrücken.

Das ist die Theorie. Die Realität in den Schuldnerberatungen ist eine andere: Die Verbraucherzentralen haben die Experten in den Schuldnerberatungen gefragt.
- 90 Prozent der Ratsuchenden haben ihr Girokonto länger als zwölf Monate überzogen.
- 40 Prozent davon sind mit mehr als 3000 Euro in den Miesen.

Als wäre das nicht schlimm genug bezahlen sie dafür Dispozinsen und häufig sogar noch Überziehungszinsen von 300 Euro und mehr, so die Verbraucherzentralen.

Versuchen die Verbraucherinnen und Verbraucher dann diese Dispokredite in Ratenkredite umzuwandeln verweigern sich die Banken häufig. Sie würden ja damit ihr Gewinne minimieren.

Das Problem ist uns allen bewusst. Nur auf ein Tätigwerden der Koalition warten wir bisher vergeblich.

Dabei waren wir uns schon vor einem Jahr im Grundsatz so einig wie bei kaum einem anderen Thema:
- Wir alle finden die absolut überzogenen Zinsen für die Dispo- und Überziehungskredite nicht in Ordnung.
- Wir alle wollen nicht, dass sich die Banken auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher sanieren. Bankenrettung bieten wir durch andere Maßnahmen.

Es kann doch nicht angehen, dass Banken einerseits selbst Geld günstig aufnehmen und dafür nur geringe Renditen bezahlen. Andererseits aber hohe Zinsen verlangen, wenn sie diese Gelder kurzfristig weitergeben. Das ist ein Kuhhandel: Die Bank kauft Geld billig ein und verkauft teuer zu Lasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Die FDP wird sich nun wieder auf den Standpunkt stellen, dass es sich um freie Marktteilnehmer handelt. Frau Aigner wird uns wieder erzählen, der mündige Verbraucher könne ja die Bank wechseln. Tatsächlich aber erleben wir, wie die Banken das Ruder an sich gerissen haben.

Die Banken haben eine Monopolstellung: Nicht jeder darf Kredite vergeben und das wollen wir auch so. Wir erwarten aber von Banken, dass sie im Gegenzug ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht werden. Und das tun sie unzureichend.

Für Guthaben auf Girokonten geben sie keine oder so gut wie keine Renditen. Man muss sich das einmal vorstellen: Wer auf seinem Girokonto ein halbes Jahr 1000 Euro im Plus ist, erhält dafür keinerlei Zinsen und die Bank kann mit dem Geld arbeiten. Ist er aber das andere halbe Jahr mit 1000 Euro im Minus, dann kostet ihn das bei einem Dispozins von 10 Prozent 50 Euro. Da stimmt doch das Verhältnis nicht mehr!

Die Stiftung Warentest errechnete letztes Jahr, dass jeder Prozentpunkt, den der Zinssatz für Dispo- und Überziehungszinsen nicht gesenkt wird, Verbraucherinnen und Verbraucher 416 Millionen Euro kostet. Inzwischen ist deutlich mehr als ein Jahr vergangen.

Deshalb ist jetzt endlich handeln geboten.