Kerstin Tack, MdB
Rede im Deutschen Bundestag 13.06.2013

TOP 38 Schutz von Hinweisgebern


Anrede,
Auch zur zweiten und dritten Lesung unseres Gesetzentwurfes zum Schutz von Hinweisgebern hat das Thema „Whistleblower“ mal wieder Aktualität: Mit Edward Snowden, der Teile des amerikanischen Überwachungsprogramms PRISM an die Öffentlichkeit brachte, gibt es wieder einen berühmten Whistleblower. Einen Menschen, der einen Skandal aufdeckte, über den nun die ganze Welt redet. Die Debatte darum, welche Daten staatlich gespeichert werden dürfen wird uns – auch in diesem Hause – noch lange beschäftigen. Auch für den konkreten aufgedeckten Skandal werden nun Lösungen gesucht und gefunden werden.

Das Schicksal das Edward Snowden erleiden wird, steht dagegen noch nicht endgültig fest. Sicher ist jedoch: Sein Arbeitgeber hat ihn bereits entlassen.

Genau dieses Schicksal teilt Snowden mit nahezu jedem deutschen Whistleblower der vergangenen Jahre: Der LKW-Fahrer, der 2007 den Gammelfleischskandal ins Rollen brachte, die Prokuristin, die Verstöße der damaligen DG-Bank gegen Insiderregeln publik machte, oder der Revisor, der auf gefälschte Statistiken der Arbeitsämter aufmerksam macht. Sie alle teilen das selbe Schicksal: Sie alle verloren ihre Arbeitsstellen.

Whistleblower sind Menschen, die Skandale aufdecken. Menschen, die ihre eigene Existenz aufs Spiel setzen, um Probleme aufzudecken, die für eine Vielzahl von Menschen von Interesse sind. Solche Menschen müssen wir unterstützen.

Um diese Unterstützung buhlen wir seit Jahren. Die Bundesregierung versagt Whistleblowern jedoch jeden weitergehenden Schutz. Die Verankerung eines wirksamen Schutzes für „Whistleblower“ scheint für die schwarz-gelbe Koalition unvorstellbar. Vielmehr wird die Legitimierung von „Whistleblowern“ nach wie vor – jedenfalls von einzelnen Mitgliederinnen und Mitgliedern der Regierungsfraktion – als Förderung des Denunziantentums begriffen. Eine Reaktion, die auch manche amerikanischen Politiker im Fall des Edward Snowden reflexartig einnehmen.

Doch mit Denunziantentum hat es nichts zu tun, wenn Missstände nur aufgedeckt und behoben werden können, indem sie öffentlich gemacht werden. Mit Denunziantentum hat es erst recht nichts zu tun, wenn Menschen den Mut aufbringen, in einer Abwägung: „Löse ich das Problem der Vielen und riskiere dabei meine eigene berufliche Zukunft?“ die Entscheidung für die „Vielen“ treffen.

Bedenken haben wir in unserem Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht, berücksichtigt. Wir sehen deshalb ein Anzeigerecht für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor, das am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet ist: Es berücksichtigt die Möglichkeit, ein an den Bedürfnissen und Gegebenheiten der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers angepasstes Hinweisgebersystem zu implementieren, den offenen internen Umgang mit und die Vorbeugung vor Missständen.

Bis heute gibt es in Deutschland kaum einen Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber im Arbeitsverhältnis. Die Anzeige innerbetrieblicher Missstände an externe Stellen ist nur in absolut eng definierten Ausnahmefällen gestattet.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten sich im Zweifel auf eine Klärung im Rechtsweg einlassen um zu klären, ob eine Rechtfertigung für das Handeln der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers bestand oder nicht. Sowohl das berufliche als auch das finanzielle Risiko sind damit immens.

Diese Unwägbarkeiten behindern das Geben von Hinweisen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen rechtssicheren Schutz. Wir können es nicht dulden, dass Zivilcourage blockiert wird.

Andere Länder sind uns weit voraus, das hatte ich bereits in meinen letzten beiden Reden zu diesem Thema erwähnt. Spezielle gesetzliche Regelungen zum Informantenschutz kennen in Europa schon heute u.a. Großbritannien, Belgien, Frankreich, Norwegen, Rumänien und die Niederlande.

In Deutschland unternahmen wir bereits in der großen Koalition einen Anlauf zur Stärkung des Informantenschutzes vor – das war vor nunmehr fünf Jahren. Die Union blockierte letztlich.
Der Entwurf wurde damals im Rahmen des Gammelfleischskandales erarbeitet.

Doch statt zu sagen: Wir freuen uns, dass der Gammelfleischskandal aufgedeckt wurde und wir jetzt darauf reagieren können, wehrte sich die Union plötzlich gegen jede Regelung. Der damalige Verbraucherschutzminister Seehofer pinnte dem Whistleblower noch einen Orden an und das wars dann auch schon wieder in Sachen Hinweisgeberschutz.

Seit dem herrscht Stillstand. Die neue Regierungskoalition hat das Thema einfach liegen lassen.
Und das obwohl es einen von der Bundesregierung mitgetragenen Beschluss der G20-Mitgliedstaaten gibt, in dem sich die Staaten verpflichteten, „bis Ende 2012 Regeln zum Whistleblower-Schutz (zu) erlassen und um(zu)setzen“.

Wenn sich die Bundesregierung nun auf die bestehenden arbeitsrechtlichen Vorschriften und die begleitende Rechtsprechung beruft, dann handelt sie entgegen dem damals gefassten Beschluss.

Daher fordere ich Sie heute noch einmal auf, werte Bundesregierung:
Hören Sie endlich auf unternehmerische Interessen über das Gemeinwohl zu stellen!
Lassen Sie die Wirtschaftslobby liegen und stimmen Sie unserem Hinweisgeberschutzgesetz zu. Für unser aller Wohl.

Wir können Missstände nur bekämpfen, wenn wir sie kennen.

Vielen Dank.