Erklärung nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Antrag „Keine Steuerbefreiung für Atomkraftwerke - Die Brennelementesteuer muss bleiben“ (18/9124, Tagesordnungspunkt 10)

Die Atomenergieerzeugung hat ein Schadenspotential das unberechenbar höher ist als die Energiegewinnung aus anderen Energieträgern. Das Risiko der Atomenergieerzeugung lässt sich dauerhaft nicht beherrschen. Im Gegenteil: in menschlichen Kategorien gedacht, bergen die bis heute schon erzeugten radioaktiven Abfälle verschiedene Ewigkeitsrisiken und Zukunftslasten mit unkalkulierbaren Zukunftskosten. Das zukunftsvergessene Management der Energiekonzerne hat auch in Zeiten hoher Gewinne und höchster Gewinnabschöpfung für diese Zukunftskosten keine ausreichende Vorsorge getroffen. Die Allgemeinheit, alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, haben zunächst die Atom- bzw. Plasmaforschung bezahlt und anschließend als Stromkunden Bau und Betrieb der Atomkraftwerke. Von Anfang an wurde darauf spekuliert, auch die Ewigkeitskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Deswegen ist die Nutzung der Atomenergie in Deutschland bis heute höchst umstritten. Zu Recht hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 den Atomausstieg beschlossen. Sogar die schwarz-gelbe Bundesregierung hat - nach ihrem Zick-Zack-Kurs in der Atompolitik in 2010 - nach dem verheerenden Unglück in Fukushima zur Vernunft gefunden und einen „zweiten“ Atomausstieg bis zum Jahr 2022 beschlossen.

Die Kernbrennstoffsteuer (umgangssprachlich Brennelementesteuer) wurde im Jahr 2010 eingeführt. Ziel war es, die Belastung des Bundes durch die Kosten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle wenigstens ein wenig zu mindern. Mit der Steuer sollte auch die Bevorzugung der Atomindustrie gegenüber anderen Energieträgern beendet werden: Die Atomindustrie trägt in keiner Weise die Folgekosten, die mit ihrem Betrieb verbunden sind. Nur ein Bruchteil des Schadenspotentials eines Atomunfalls muss versichert werden. Daneben profitiert die Atomindustrie vom Handel mit Emissionszertifikaten, der andere Energieträger belastet. Die Atomenergie ist dabei ebenso begünstigt wie regenerative Energieträger. Dabei ist auch die Atomenergie in keiner Weise CO2-neutral. Wer genauer hinschaut, sieht: Die Emissionen fallen vor und nach der Stromerzeugung an. Der Wettbewerb zwischen den Energieerzeugern wurde auf diese Art und Weise massiv zu Gunsten der Atomkraft verzerrt.

Ohne sachliche Gründe zu nennen, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Steuer bis zum 31. Dezember 2016 befristet. Die Gründe für ihre Erhebung bestehen aber heute unverändert fort.

Nach wie vor trägt die Atomindustrie in keiner Weise ihre Folgekosten. Das Auslaufen der Steuer bedeutet eine Rückkehr zu der Bevorzugung der Atomindustrie. Für mich heißt das im Ergebnis: alle zukünftigen Generationen müssen die Kosten und das Risiko der Atomindustrie tragen, während die Gewinne über Jahrzehnte in private Taschen geflossen sind.

Die „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Atomausstiegs (KFK)“ hat am 27. April 2016 ihre Empfehlungen vorgelegt. Damit sollen die Weichen für eine sichere und verlässliche Finanzierung des Ausstiegs aus der Atomenergie gestellt werden. Für die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle übertragen danach die Energieunternehmen 23,3 Milliarden Euro auf den Bund. Darin enthalten sind die bisherigen Rückstellungen der Energieunternehmen und ein Risikoaufschlag in Höhe von 6,1 Milliarden Euro. Die operative und finanzielle Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung geht damit auf den Staat über, der auf diese Weise auf lange Sicht die Verluste der Atomenergieerzeuger übernimmt.

Das verstärkt die Begründung für die Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer. Hinsichtlich der Kosten für die Endlagerung liegt nach den Empfehlungen der KFK das Risiko für Kostensteigerungen (die über den Risikoaufschlag hinausgehen) beim Staat. Liefe die Steuer wie vorgesehen zum 31. Dezember 2016 aus, bedeutete dies eine Rückkehr zu der Bevorzugung der Atomwirtschaft gegenüber anderen Energieträgern, auch mit Blick auf die Versicherungspflicht und den Emissionshandel.

Es ist leicht zu erkennen, dass sich die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Atomausstiegs (KFK) für einen sehr – für viele für einen viel zu – moderaten Vorschlag verwendet hat. Wir hören, dass die Atomindustrie durch verzögerten Austausch der Kernbrennelemente versucht, die schon gesetzlich geregelte Kernbrennstoffsteuer zu umgehen. Der Austausch wird dann erst nach dem 31. Dezember 2016 erfolgen, der kalkulierte Zielwert der Steuereinnahmen also verfehlt.

Der Verbrauch von Kernbrennstoffen sollte auch deshalb solange besteuert werden, wie in Deutschland Atomkraftwerke betrieben werden dürfen. Derzeit laufen noch acht Atomkraftwerke; bei den im Atomgesetz festgeschriebenen Laufzeiten würde eine Verlängerung der Steuer etwa 5 Milliarden Euro Einnahmen bringen.

Der Vorschlag zur Vorlage eines Gesetzesentwurfes zur Änderung des Kernbrennstoffsteuergesetzes, durch den die Kernbrennstoffsteuer ohne Unterbrechung bis zum Ende der Laufzeiten der Atomkraftwerke bzw. 31. Dezember 2022 weiter erhoben werden sollte, wurde von der CDU/CSU abgelehnt. Der Koalitionsvertrag schließe Steuererhöhungen aus, und die Fortführung der Steuer sei eine Steueranhebung.

Da die Koalition Anträge bzw. Gesetzesentwürfe nur gemeinsam einbringt und wir uns an den Koalitionsvertrag gebunden fühlen, gibt es weder einen Koalitionsantrag noch die Möglichkeit dem Antrag der Linken zuzustimmen.

Ich hoffe sehr, dass die Union ihre Blockadehaltung aufgibt und wir eine gemeinsame Initiative der Koalitionsfraktionen zur Verlängerung der Kernbrennstoffsteuer starten. Das sind wir kommenden Generationen schuldig.

Kerstin Tack, MdB


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