02.07.2015 - Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE "Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen"
Rede von Kerstin Tack im Deutschen Bundestag am 2. Juli 2015
Quelle: "Deutscher Bundestag"
Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des
Rede MdB Kerstin Tack, SPD
02.07.2015 Deutscher Bundestag, TOP 16
Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE
„Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen“
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Allein der Umstand, dass wir heute zwei Tagesordnungspunkte zum Thema „Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung“ haben – einer wurde von der Koalition und einer von Teilen der Opposition aufgesetzt –, zeigt, dass das Thema im Deutschen Bundestag angekommen ist, dass es wichtig ist und auch Anforderungen mit sich bringt.
Ja, der inklusive Arbeitsmarkt – darin sind wir uns alle einig – ist ein Ziel, das wir nicht nur im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verwirklichen müssen, sondern auch deshalb, weil eine humane Gesellschaft eine inklusive ist. Das ist nicht nur für die Menschen mit Behinderung wichtig, sondern für alle.
Dass das Thema heute zweimal auf der Tagesordnung steht, haben wir dem Antrag der Linken und unserem Antrag zu verdanken. Ich möchte mich dafür ganz herzlich bedanken. Denn die Zielrichtung Ihres Antrags zeigt, dass wir uns im Bundestag an vielen Stellen, wenn auch nicht in allen Punkten, darüber einig sind, welche Anforderungen wir stellen müssen.
Natürlich möchte niemand jemanden mit Zwang in den allgemeinen Arbeitsmarkt hineindrängen. Schließlich möchte auch niemand von uns selber, wenn er eine Behinderung hat, ein aufgezwungenes Arbeitsverhältnis eingehen müssen.
Aber mit der Ausgleichsabgabe alleine erreichen wir dieses Ziel nicht. Deswegen ist es gut, dass die Bundesregierung neben der Möglichkeit der Zwangsabgabe auch mit der Wirtschaft gemeinsam mehrere Initiativen in Gang gesetzt hat, um eines der größten Probleme anzugehen, nämlich die fehlende Kenntnis von Unternehmen über ihre Möglichkeiten im Hinblick auf Unterstützungsformen, Begleitung, Assistenz und Kostenzuschüssen zum Lohn und anderem. Ich halte das für richtig; denn Unternehmen, die keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen, verhalten sich in der Regel nicht aus Boshaftigkeit so, sondern viel häufiger aus Unkenntnis über die Möglichkeiten der Unterstützung. Deshalb ist es ein wesentlicher Punkt, uns zu fragen, wie wir genau diese Unterstützung und Beratung gewährleisten können, bevor wir den Unternehmen vorschreiben, dass sie sich an der Gesamtaufgabe „inklusiver Arbeitsmarkt“ beteiligen müssen, indem sie jemanden einstellen bzw. eine Abgabe zahlen. Ich hoffe, dass das Wirkung zeigt.
Nichtsdestotrotz setzen wir, glaube ich, gerade was die Integrationsbetriebe angeht, mit dem von uns eingebrachten Antrag, über den wir ja nun nicht mehr diskutieren, ein ganz wichtiges Zeichen. Denn die Integrationsbetriebe, die bis zu 50 Prozent Menschen mit Schwerbehinderung in ihren Reihen haben, sind Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes und gehören damit zum ersten Arbeitsmarkt. Trotzdem bieten sie noch einen gewissen Schonraum mit der Möglichkeit, sich zu qualifizieren und weiterzubilden. Deshalb ist es richtig, genau diese Möglichkeit der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen anzubieten, die sich gemäß ihrem Wahlrecht eigentlich wünschen, nicht in einer Werkstatt beschäftigt zu werden, sich aber gleichwohl den manchmal sehr extremen Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch nicht gewachsen fühlen. Genau diese Lücke schließt die Idee der Integrationsfirmen. Wir freuen uns sehr, dass wir mit den heute beantragten 150 Millionen Euro dafür sorgen können, dass all die Anträge, die in den Integrationsämtern vorliegen, bearbeitet werden können und eine entsprechende Unterstützung ermöglicht wird.
Wir wissen natürlich auch, dass das nicht alles sein kann. Vieles wird im Bundesteilhabegesetz geregelt werden. Dazu werden uns noch im Herbst konzeptionelle Vorlagen erreichen. Wir haben uns aber auch vorgenommen – der Kollege Schummer hat das bereits angekündigt –, noch in diesem Jahr die Betriebsräte in den Werkstätten für behinderte Menschen zu stärken. Diese Betriebsräte sollen genauso die Möglichkeit haben, mitzubestimmen und sich im Unternehmen einzubringen.
Wir werden zudem Frauenbeauftragte in den Werkstätten für behinderte Menschen flächendeckend etablieren. Das ist gut und richtig, weil insbesondere Frauen – auch in den Werkstätten – Gewalt ausgesetzt sind. Deshalb ist es wichtig, ihnen eine eigene Ansprechperson an die Seite zu stellen. Wir freuen uns sehr, dass wir uns einig sind, dass das flächendeckend in den Werkstätten umgesetzt werden soll.
Bei der Stärkung der Schwerbehindertenvertretung – auch dazu wird uns noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf ereilen – geht es uns insbesondere darum, Freistellungen, die Fort- und Weiterbildungen, aber auch die Mitbestimmung zu stärken. Wir nehmen wahr, dass es überall dort, wo Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben Betriebs- und Personalräte unterstützen, besser gelingt, inklusive Arbeitsplätze zu schaffen, als in allen anderen Bereichen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir diesen Vertretungen die Rolle einräumen, die sie benötigen, um die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarkt innerhalb der gesamten Unternehmensstruktur voranzutreiben.
Wir freuen uns, dass wir all das noch in diesem Jahr beraten werden. Wie Sie sehen, Frau Rüffer, fangen wir heute an. So wie es aussieht, werden wir in den Sitzungswochen nach der Sommerpause hinreichend Gelegenheit haben, weiter über den inklusiven Arbeitsmarkt zu diskutieren. Das freut uns alle sehr. Hier sind wir uns einig im Ziel.
Danke schön.