Rede von Kerstin Tack am 06.04.2011

Quelle "Deutscher Bundestag"

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des

Aktuelle Stunde , Mittwoch 06.04.2011

„Gründe des Bundeswirtschaftsministers gegen ein Verbot von Klonfleisch“

Kerstin Tack (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist schon interessant, was wir hier heute erleben. Man könnte meinen, dass das in der letzten Woche in Europa erzielte Ergebnis über uns gekommen ist, ohne dass wir an irgendeiner Stelle die Möglichkeit gehabt hätten, es zu beeinflussen. Der Kollege Holzenkamp stellt sich hier hin und sagt: Wir erwarten von der EU, dass sie jetzt etwas Neues vorlegt. Die hatte ja vorgelegt, Herr Kollege Holzenkamp, und es hat einen Kompromissvorschlag gegeben.

Dass wir jetzt Fleisch von geklonten Tieren ohne Kennzeichnung in den Supermärkten zulassen, hat etwas mit dem Verhalten der deutschen Bundesregierung zu tun. Das müssen wir doch viel stärker in den Mittelpunkt stellen. Sich hier hinzustellen und zu sagen: „Das hat Europa mal eben so beschlossen, nun finden wir das ganz schlimm“, ist, finde ich, geheuchelt, um das auch einmal deutlich zu sagen.

Der 29. März ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein schwarzer Tag gewesen. Wir sehen, dass es eine Abstimmung mit einer Regierung gab, die dieses Thema so wenig ernst nimmt, dass sie hier heute noch nicht einmal Stellung zu ihrem Verhalten nimmt. Sie ist noch nicht einmal in allen Teilen anwesend. Von daher sehen wir, wie ernst die Regierung diesen Teil nimmt.
Wir wissen auch, dass es innerhalb der Koalition mal wieder eine Situation gibt, die dazu führt, dass die einen bedauern, dass wir diese Lösung haben, während die anderen sagen: Wir können gar nicht schnell genug noch weiter in die Klondebatte kommen. Ich empfehle Ihnen: Machen Sie an dieser Stelle auch hier einmal ein Moratorium, gehen Sie miteinander ins Gericht und klären Sie, wie denn eigentlich Ihre Position zum Thema Klonfleisch ist! Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten jedenfalls mehr Antworten als das, was wir hier heute gehört haben.

Um einmal etwas anderes zu machen, als Herrn Brüderle hier vorzuführen, will ich Ihnen sagen: Wir haben das Pech, dass wir eine Verbraucherministerin haben, die ein so schwaches Glied dieses Kabinetts ist, dass ihr Vermittlungsvorschlag, nämlich eine Kennzeichnung vorzunehmen, dort keine Mehrheit gefunden hat. Auch das ist ein Skandal. Wir haben eine Verbraucherministerin, die derart schwach ist, dass sie hilflos zusehen muss, wie ihr Kollege innerhalb dieser Debatte einen Scherbenhaufen an Verbraucherrechten hinterlässt. Wir müssen deutlich sagen: Eine solche Ministerin, die die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in der Art und Weise schützen kann, wie es erforderlich ist, darf diesem Kabinett eigentlich auch nicht mehr angehören.

Egal was Frau Aigner anfasst: Wenn sie nicht allein zuständig ist, kriegt sie in diesem Kabinett nichts durch. Ob es mit dem Finanzminister um den Anlegerschutz geht, mit dem Umweltminister um die Waldstrategie, mit dem Innenminister um den Datenschutz und mit der Kanzlerin um Google,
diese Verbraucherministerin ist nicht in der Lage, die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Art zu schützen, dass sie in der Tat als Marktteilnehmer ernst genommen werden und sehr wohl mit ihrem Kaufverhalten dazu beitragen können, wie die Angebotsseite im Supermarkt aufgestellt ist. Dazu brauchen sie aber eine Information und eine Kennzeichnung, die sie in die Lage versetzt, diese Entscheidung abzuwägen und nach bestem Wissen und Wollen auch treffen zu können.

In Bezug auf Ihre Kampagne „Klarheit und Wahrheit“ will ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Oppositionsfraktionen die Einzigen sind, welche die Frau Ministerin bei der Internetplattform „Klarheit und Wahrheit“ überhaupt unterstützt haben. Denn Sie als Regierungskoalition sind diejenigen, die ihre eigene Ministerin vorgeführt haben und das von ihr Vorgeschlagene um Gottes willen mit allen Mitteln verhindern wollten.

Auf der einen Seite macht die Ministerin die Kampagne „Klarheit und Wahrheit“ bei den Lebensmitteln, aber in der eigenen Politik sorgt sie für Intransparenz und Irreführung. Auch das ist Teil einer Verbraucherpolitik, wie sie Deutschland, im Moment vertreten durch die Bundesregierung und deren Mitglied Frau Ministerin Aigner, hier vorführt.

Es ist so, dass Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt zu hilflosen Teilnehmern des Marktes erklärt werden. Durch das Verhalten der Bundesregierung kommt es nicht zu einer Kennzeichnung, die die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt, im Supermarkt und an der Ladentheke gemäß ihren eigenen Wertvorstellungen in der Frage „Welches Fleisch will ich mir denn auf den Teller legen?“ zu handeln und eine Entscheidung zu treffen. Aufgrund vernünftiger Kennzeichnungsregelungen könnten sie eine solche Entscheidung aber legitimerweise treffen. Dass das nun nicht so ist, dafür ist diese Bundesregierung verantwortlich.

Dass die Verantwortung nicht übernommen wird, sondern gesagt wird: „Das schieben wir mal eben nach Europa; die sollen neu verhandeln“, und dass die Bundesregierung hier nicht selber Stellung nimmt, zeigt, finde ich, dass die Bundesregierung die Verbraucherpolitik wenig ernst nimmt. Daher muss man sagen: Verbraucherinnen und Verbraucher, es tut uns leid, dass man in diesem Land Verbraucherrechte deutlich hinter die wirtschaftlichen Interessen gestellt hat. Schade für dieses Land!
Herzlichen Dank.