Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!


Ihnen allen wünsche ich ein frohes neues Jahr. Herzlichen Dank für die Einladung, die Ausstellung „Hauptsache Arbeit“ eröffnen zu dürfen.

Der Anlass dieser Ausstellung erfüllt mich mit Freude, denn fairKauf Hannover begeht seinen zweiten Jahrestag. Damit einher geht die Neuaufstellung, die aus dem Sozialkaufhaus ein Kulturkaufhaus machen wird. Die heute zu eröffnende Ausstellung „Hauptsache Arbeit“ mit ihrem politischen Appell steht dafür symbolisch, aber auch sehr praktisch.

Wenn wir uns das Wort fairKauf auf den Lippen zergehen lassen, gelangen wir sofort zu den Hauptzielsetzungen dieser Genossenschaft:

  • FAIRKAUF steht für den fairen Umgang mit Menschen auf unserem Arbeitsmarkt. Es steht dafür, Menschen Chancen auf Ausbildung, Qualifizierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu geben.
  • FAIRKAUF steht aber auch für Teilhabe von Menschen am Konsum. - Für ein Angebot, auch ohne hohes Einkommen Produkte erwerben zu können, ohne beispielsweise auf Mode-Discounter mit ihren teils fragwürdigen Gehaltsgefüge und Mitbestimmungsregelungen sowie ihren fragwürdigen Produktionsbedingungen häufig in der „Dritten Welt“ etc. angewiesen zu sein.
  • Und FAIRKAUF steht auch für ein Angebot an bewusste Bürgerinnen und Bürger, selber aktiv werden zu können: Sei es durch den Kauf im Sozialkaufhaus, sei es durch die Abgabe gebrauchter Waren oder sei es durch eigenes Engagement im Umfeld der Genossenschaft.

Wenn das Sozialkaufhaus nunmehr zum Kulturkaufhaus wird, steht dahinter mehr als die schlichte Erweiterung des Angebotes. Es bedeutet auch, dass die Kultur der Arbeit, die unsere Gesellschaft prägt, aufgegriffen wird. Und dafür steht die Ausstellung „Hauptsache Arbeit“ mit ihren imposanten Fotos. Herr Giesel hat ebenso beeindruckende wie treffende Bilder gesammelt, die Bände sprechen vom Wert der Arbeit für das Selbstwertgefühl.

„Der begehrteste Platz in Deutschland heute ist der Arbeitsplatz“, schrieb PHOTO PRESSE ONLINE zu Ihrer gleichnamigen Ausstellung im Januar 2010. Als ich mir einen Teil der Schwarzweiß-Fotos ansah, fiel mir die Würde der Menschen auf den Fotos auf. Sie haben sie mit großem Respekt, ja sogar mit einer Hochachtung fotografiert, die ihres gleichen sucht.

Jede und jeder von Ihnen weiß, dass Arbeitslosigkeit kranker machen kann als belastende Arbeit. Arbeitslosigkeit grenzt aus, raubt Identität und reduziert den Menschen auf ein kleines Umfeld. Die kulturelle und soziale Teilhabe schränkt sich ein. Hier muss der Staat, hier muss die Gesellschaft entgegenwirken – das gibt uns der Sozialstaatsauftrag unserer Verfassung aus gutem Grund mit auf den Weg.

Nähert man sich Ihren Bildern, Herr Giesel, kommt niemand auf die Idee, dort Arbeitsverweigerer oder Faulenzer zu sehen, wie Arbeitslose so häufig verunglimpft werden. Im Gegenteil, die Blicke sind selbstbewusst. Die Menschen fordern ihr Recht auf Arbeit ein. – Sie fordern es von uns als Gesellschaft, aber auch von jedem Einzelnen von uns. Mir persönlich sind diese Blicke unter die Haut gegangen. Denn allzu oft neigen wir dazu, nackte Zahlen statt den Menschen zu sehen.

Wenn aber Millionen Menschen Arbeit in Deutschland suchen, sind dies

  • Millionen Einzelschicksale,
  • Millionen persönliche Geschichten von Hoffnung und Enttäuschung,
  • Millionen Gesichter, von denen Sie hier einige aus Hannover stellvertretend für alle Anderen abgebildet haben.

Wenn ich mir das Gezerre um die Reform der Regelsätze ansehe, scheint dieses nicht bei allen Beteiligten angekommen zu sein. Statt über Teilhabechancen, Würde und den Einzelnen zu sprechen, führt die Regierung eine Gespensterdebatte um Verwaltung und Organisation. Stichworte sind hier die Chipkarte und eine monströse Bürokratie.

Dabei geht es um etwas anderes: Menschen in Notlagen ein Existenzminimum zum Leben zu geben. Ein Minimum, dass nicht unter den niedrigsten möglichen Lohn manipuliert wird, sondern zum Leben und zur Teilhabe reicht. Dass dazu ein Mindestlohn nötig ist, liegt auf der Hand. Es ist unerträglich, wie in dem jetzigen Beschlüssen der Bundesregierung Arbeitslose und Menschen mit niedrigen Löhnen gegeneinander ausgespielt werden.

Ebenso liegt es auf der Hand, kulturelle und soziale Teilhabe nicht auf Kinder im Transferbezug zu begrenzen und ihnen Musikunterrichtung, Sport und Nachhilfe für 10 Euro im Monat zukommen zu lassen, was unmöglich ist, vielmehr brauchen wir einen Ausbau der Infrastruktur für alle Kinder, brauchen wir Ganztagsschulen, in denen die Förderung von Kindern unabhängig vom Geldbeutel der Eltern gemeinsam organisiert wird.

Genau um diese faire Teilhabe sowohl in Zeiten von Erwerbstätigkeit als auch in Zeiten von Erwerbslosigkeit geht es beim Kulturkaufhaus fairKauf. Und deshalb freue ich mich so besonders über das zweijährige Bestehen der Genossenschaft und über diese treffliche Fotoausstellung.

Während über die Überarbeitung der Regelsätze noch im Vermittlungsausschuss gerungen wird, sind die Kürzungen bei den JobCentern bereits in Kraft getreten. Unter dem Paradigma „Wir-alle-müssen-unsere-Gürtel-in-der-Krise-enger-schnallen“ wurden die Ausgaben für Wiedereingliederung bundesweit um 25 % gekürzt. Beim JobCenter der Region Hannover sind es sogar 50%, denn Personalverwaltungskosten werden hier noch aufgefangen. Von den bleibenden 50% müssen jetzt auch Teile der Verwaltungsausgaben bestritten werden, was vorher nicht der Fall war.

So werden Maßnahmen des JobCenters gestrichen oder der Maßnahmebeginn so kurzfristig angesetzt, dass eine sinnvolle Qualifizierung nicht möglich ist. Auch auf diese Weise kann man Arbeitsmarktförderung ad absurdum führen und später behaupten, das alles bringe überhaupt nichts. Leittragende sind – wie meistens in solchen Fällen – die benachteiligten Gruppen: Frauen, ältere Arbeitnehmende oder Berufseinsteigerinnen und -einsteiger. Also genau die Gruppen, denen sich fairKauf verschrieben hat und die die Fotoausstellung im Fokus hat.

Sie sehen also, unser heutiges Zusammentreffen ist nicht nur aufgrund der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit wichtig. Jedes einzelne der Fotos der Ausstellung appelliert auch an unsere aktuelle Tagespolitik.

  • Es ist ein Appell für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt.
  • Es ist ein Appell für ein Zusammenhalten aller Menschen in unserem Staate.
  • Und es ist ein Appell, das eigene Handeln vor diesem Hintergrund tagtäglich neu zu überdenken. – Insbesondere dann, wenn man Verantwortung in Kommune, Land, Bund oder Europa trägt!

Für diesen Appell bedanke ich mich beim gastgebenden fairKauf und besonders auch bei Ihnen, Herr Fahlbusch. Sie und Ihr Team machen Sachen möglich, die uns alle beeindrucken, einige aber auch beschämen sollten.

Und Ihnen, Herr Giesel, danke ich dafür, dass Sie diesem Appell Gesichter gegeben haben. In einer Mediendemokratie brauchen wir starke Bilder, um Appelle zu transportieren. Diese haben Sie beeindruckend geliefert. Also nochmals: Vielen Dank dafür.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.