17.03.2011 - 1. Les. Reg.-Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften
Kerstin Tack, MdB, SPD
Rede Donnerstag 17.03.2011
TOP 22
1. Les. Reg.-Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften.
Neben den Anpassungen im Rahmen von bereits geltenden EU-Verordnungen enthält der Entwurf aus aktuellem Anlass des Dioxinskandals auch Regelungen, die im gemeinsamen Aktionsplan des Bundes und der Länder „Unbedenkliche Futtermittel, sichere Lebensmittel, Transparenz für den Verbraucher“ festgelegt wurden. Dies ist zunächst grundsätzlich zu begrüßen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hatte umgehend Forderungen für Konsequenzen aus dem Dioxinskandal erhoben und darin unter anderem die jetzt vorgeschriebene Meldepflicht für private Untersuchungslabore gefordert. Diese sollen jetzt laut Gesetzentwurf bedenkliche Mengen von gesundheitlich nicht erwünschten Stoffen, die sie in untersuchten Lebens-und Futtermitteln festgestellt haben, an die zuständigen Behörden melden. Wir fordern, dass Untersuchungslabore und das Laborpersonal alle Ergebnisse von Lebensmittel- und Futtermitteluntersuchungen unmittelbar an die zuständigen Überwachungsbehörden melden sollen, das heißt, die Regelung im Gesetzentwurf der Bundesregierung greift hier zu kurz.
Die Verpflichtung von Lebens- und Futtermittelunternehmen Ergebnisse über Eigenkontrollen hinsichtlich Dioxinen und Furanen sowie dioxinähnlichen und nicht-dioxinähnlichen polychlorierten Biphenylen an die zuständigen Behörden zu melden, ist ebenfalls ein Fortschritt. Allerdings muss hier noch eine strengere Kontrolle von Futterfetten vorgeschrieben werden und die Hersteller müssen verpflichtet werden, jede Charge beproben zu lassen. Die Futtermittel-Fette sind als Haupteintragsquelle der fettlöslichen Dioxine besonders sensibel und deshalb schärfer zu überwachen Auch muss eine offene und vollständige Deklaration aller Futtermittelinhaltsstoffe umgesetzt werden. Damit wird dafür gesorgt, dass nur sichere Bestandteile in die Futtermittelkette gelangen.
Wir erwarten, dass die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz angekündigte Rechtsverordnung für die nicht erwünschten Stoffe umgehend vorgelegt wird und werden deren Inhalt kritisch überprüfen.
Die zuständigen Behörden der Länder sollen nach einer Rechtsverordnung die ihnen vorlie- genden Untersuchungsergebnisse über Gehalte an gesundheitlich nicht erwünschten Stoffen an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit melden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erstellt aus dem gemeinsamen Datenpool vierteljährlich einen Bericht, so dass der Ausbau eines Frühwarnsystems zu begrüßen ist.
Allerdings muss auch das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) unverzüglich novelliert und an die neuen Anforderungen angepasst werden. Wir wollen, dass sämtliche Untersuchungsergebnisse der betrieblichen Eigenkontrollen sowie die staatlichen Untersuchungsergebnisse in einer Datenbank veröffentlicht werden. Dies hat unabhängig davon zu geschehen, ob Grenzwerte eingehalten oder unterschritten wurden.
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen in die Lage versetzt werden, dioxin- oder anderweitig belastete Lebensmittel auch unterhalb der erfassten und zulässigen Grenzwerte zu meiden. Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gelten mit Dioxin belastete Lebensmittel unterhalb bestimmter Grenzwerte als ungefährlich. Die Gifte reichern sich jedoch in der Nahrungskette an und lagern sich im Fettgewebe ein. Dioxine können vom Körper kaum abgebaut oder ausgeschieden werden. Ziel muss es sein, die Belastung mit Dioxin so weit wie möglich zu vermindern.
Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf diese Informationen, die Novellierung des VIG muss also schnellstens vorgelegt werden.
Die jetzt vorgesehenen Änderungen des Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) sind deswegen nur ein Anfang der erforderlichen Konsequenzen aus dem Dioxinskandal. Auch wenn die Bundesregierung nicht für die Umsetzung aller Punkte des Aktionsplans zuständig ist, muss Frau Aigner für eine zügigere Abarbeitung sorgen und Maßnahmen bei den Ländern oder auf der EU-Ebene einfordern. Die Bundesländer dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen oder die im Aktionsplan vereinbarten Maßnahmen verzögern.
Die Einrichtung der zentrale Informationsplattform "www.lebensmittelwarnung.de" ist längst überfällig, Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich ausführlich informieren können. Eine bundesweite und zeitnahe Aufstellung über Rückrufaktionen, Warnungen, beanstandete Produkte sowie deren Kennnummern und welche Behörde verantwortlich ist muss öffentlich gemacht werden.
Andere dringende und angekündigte Regelungen fehlen ebenfalls noch oder sind gar nicht vorgesehen. Die Durchsetzung einer Positivliste für Futtermittelinhaltsstoffe in Europa muss intensiviert werden, sollte es dort Widerstände geben, muss es eine nationale Liste geben. Einheitliche Kontrollstandards auf europäischer Ebene müssen eingefordert werden. Eine Senkung der Grenzwerte für Futtermittelausgangsstoffe muss eingefordert werden. Ein funktionierendes Rückverfolgungssystem, das bundesweit einheitliche Niveau der Lebensmittelüberwachung oder neue Haftungsregeln und Strafverschärfungen sind bisher nur angekündigt.
Ein Informantenschutz für Mitarbeiter und Beschäftigte, die die zuständigen Behörden über Missstände bei ihren Arbeitgebern informieren ist von der Bundesregierung gar nicht vorgesehen, deshalb wird die SPD Bundestagsfraktion dazu zeitnah ein eigenes Gesetz einbringen.
Kerstin Tack