Rede von Kerstin Tack im Deutschen Bundestag am 18. Juni 2015

Quelle: "Deutscher Bundestag"

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des


Rede Kerstin Tack (SPD) - Deutscher Bundestag, 18.06.2015

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Ströbele, wenn Sie von Verrat oder von der Verweigerung einer Debatte reden, dann müssen Sie dafür auch hinreichende Belege vorbringen. Sich hier hinzustellen und zu meinen, das Ganze ließe sich polemisch lösen, geht leider genauso an der Sache vorbei wie Ihre Unterstellung anderen gegenüber, sie würden sich der Sache entziehen.

Was den öffentlichen Raum betrifft, wollen wir sehr wohl, dass Menschen hingucken, engagiert sind und aktiv werden, wenn sie einen Missstand wahrnehmen. Wir machen Aufklärungskampagnen, vergeben sogar Preise und nennen das Zivilcourage.

Wenn aber jemand im Arbeitsleben genau dieses Hingucken praktiziert, dann meinen wir, dies wäre weniger wert. Menschen, die das tun, zahlen sogar einen sehr hohen Preis für dieses couragierte Hingucken. Sie bezahlen nämlich viel zu häufig mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes.

Hinweisgeber sind erwünscht. Europa hat es den Mitgliedstaaten hinreichend häufig auferlegt, zu prüfen, ob die Gesetze in den jeweiligen Mitgliedstaaten dem Schutz der Hinweisgeber hinreichend Genüge tun. Auch wir haben uns im Koalitionsvertrag zu genau einer solchen Prüfung verpflichtet. Ich gehe davon aus, dass eine solche Prüfung den Handlungsbedarf deutlich machen wird.

Denn es ist kein Geheimnis, dass die SPD-Fraktion in der letzten Wahlperiode den Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes vorgelegt hat, womit sich auch die Frage beantwortet, ob wir Handlungsbedarf sehen. Ja, wir sehen einen Handlungsbedarf, und zwar mehr als die Grünen in dem von ihnen vorgelegten Gesetzentwurf. Wir meinen nicht, dass es ausreicht, im BGB festzuschreiben, die Dinge erst einmal im eigenen Betrieb zu klären, bevor jemand andere Wege gehen kann. Ich halte es sogar für falsch, das so zu machen.

Wir sagen auch, dass klar sein muss, wann ein Missstand vorliegt. Wir meinen, dass geklärt sein muss, wann eine anonyme Hinweisgebung relevant ist. Wir wollen auch die Frage der Betriebs- und Personalräte klären. Sie kommen bei Ihnen nicht vor. Bei Ihnen im Übrigen auch nicht, Frau Kollegin.

Wir glauben aber, dass es wichtig ist, in den Unternehmen genau solche Prozesse zu begleiten. Dafür haben wir entsprechende Gremien vorgesehen, die aber bei Ihnen nicht vorkommen.

Wir glauben auch, dass es wichtig und richtig ist, dass es Möglichkeiten der Begleitung und der Rechtsberatung gibt. Deshalb muss die Frage beantwortet werden, wie Hinweisgeber nicht nur vor Kündigungen, sondern auch vor Einbrüchen in der Karriere oder auch in den Entwicklungschancen in den Betrieben geschützt werden. All das muss man berücksichtigen. Denn wir wollen nicht, dass jemand, weil er wichtige Hinweise an Aufsichtsbehörden bis hin in die Öffentlichkeit gibt, damit rechnen muss, dass dieses Vorgehen für ihn persönliche Nachteile hat.

Deshalb ist es richtig, dass wir in unserem Koalitionsvertrag eine Prüfung genau dieser Umstände vereinbart haben. Diese Prüfung steht aus. Wir mahnen sie an, weil wir der Meinung sind, dass wir im Gespräch über genau diese Schutzvorkehrungen zu dem Ergebnis kommen werden, dass wir uns durchaus an der einen oder anderen Stelle gemeinsam intensiver um den Schutz derer bemühen müssen, die ihn verdienen. Denn was sie ganz sicher nicht verdienen, sind der Verlust des Arbeitsplatzes und die damit verbundenen Folgen.

Herzlichen Dank.