20.10.2011 - Deutscher Bundestag TOP 8 - Finanzmarktwächter im Verbraucherinteresse einrichten
Rede von Kerstin Tack am 20.10.2011
Quelle "Deutscher Bundestag"
Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des
Finanzmarktwächter im Verbraucherinteresse einrichten
Rede Kerstin Tack (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Frau Heil, ich möchte zunächst ganz deutlich sagen: Die CDU/CSU-Fraktion hat im Jahre des Herrn 2009 die Einführung eines Finanzmarktwächters beschlossen. Was Sie heute hier als Teufelswerk darstellen, haben wir damals im Frühjahr des Jahres 2009 in der Großen Koalition gemeinsam vereinbart. Dieser Beschluss ist von Ihnen aber nicht umgesetzt worden.
Man kann ja sagen, dass man zu neuen Erkenntnissen gekommen ist. Das müsste man dann erklären. Aber zu sagen, dass man dieses Instrument schon immer für nicht
tragfähig gehalten hat, ist nicht nachvollziehbar angesichts der Tatsache, dass man noch vor zwei Jahren davon überzeugt war, dass es sich um ein ganz hilfreiches Instrument handelt, das man auch einführen will.
Ich bitte deshalb ganz herzlich darum, sich die alten Beschlüsse noch einmal anzuschauen. Man kann sicherlich sagen, dass man das Ganze heute anders sieht. Das mag so sein. Man kann aber nicht sagen, dass man dieses Instrument schon immer für Teufelswerk gehalten hat. Wir haben uns damals in der Großen Koalition in einem sehr umfangreichen Antrag zum Verbraucher- und Anlegerschutz unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie wir es schaffen, dass die Verbraucherzentralen die Funktion eines Marktwächters übernehmen können. Damals war es unser gemeinsames Ziel, die Verbraucherzentrale diesbezüglich zu stärken.
Was wollten wir? Wir wollten, dass die Verbraucherverbände die Beschwerden von Verbrauchern systematisch auswerten, unseriöse Vertriebswege aufdecken, auf
Regulierungslücken hinweisen und unlautere Geschäftspraktiken durch Abmahnung oder auf dem Klageweg unterbinden können. Die kollektive Rechtsdurchsetzung, wie sie jetzt auf der europäischen Ebene diskutiert wird, ist deshalb außerordentlich zu begrüßen.
Wir haben auch immer wieder gesagt, wie wir diesen Marktwächter finanzieren wollen. Wir wollen ihn über die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz finanzieren, die dafür allerdings zusätzliches Kapital benötigt. Dieses Kapital soll sich zum einen aus den Bußgeldern aus Kartellverfahren speisen. Dieses Geld, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorher durch unlauteren Wettbewerb sozusagen genommen wurde, kommt ihnen dann zugute, indem es in die verbraucherbezogene Arbeit fließt. Zum anderen sollen Mehreinnahmen aus der Veräußerung des Zweckvermögens der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank an die Stiftung fließen.
Wie gesagt, das haben wir miteinander 2009 so vereinbart. Die derzeitigen Regelungen, die Sie angesprochen haben – das sind insbesondere die völlig unzureichende Protokollierung
und die völlig unzureichenden Informationsblätter, für die Sie keine Standards festlegen wollen –, sind aus unserer Sicht nur bedingt wirksam.
Die von Ihnen geplante Bankenabgabe ist ein Hohn; das wissen wir. Die Finanztransaktionsteuer findet schon in Ihren eigenen Reihen keine Zustimmung.
Es ist völlig verständlich, dass derzeit auch in Deutschland Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Straße gehen. Sie sagen, dass dieser Sektor nicht vernünftig geregelt
ist. Das ist aus meiner Sicht absolut nachvollziehbar.
Der Anlegerschutz, den Sie vorhin als hervorragend beschrieben haben, funktioniert aus unserer Sicht nicht. Sie schaffen es nämlich nicht – das ist aber eines der höchsten Ziele des Verbraucher- und Anlegerschutzes –, dass eine Einheitlichkeit der Aufsicht, sowohl der Aufsicht über die Finanzvermittler und -berater als auch der Aufsicht über die Finanzprodukte, gewährleistet ist. Das stellen Sie nicht sicher. Die Verbraucherinnen
und Verbraucher genießen keinen einheitlichen Schutz. Der hängt davon ab, welches Finanzprodukt sie kaufen und ob sie es bei einer Bank oder bei einem freien Vermittler erwerben. Die Einheitlichkeit zu erreichen, haben Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung
versprochen. Das setzen Sie aber nicht um. Das ist skandalös.
Die Honorarberatung – von der Sie vorhin gesagt haben, dass das eines Ihrer wesentlichen Ziele sei – ist uns bereits vor acht Monaten großspurig angekündigt worden.
Das ist eine Ihrer vielen Ankündigungen, die zu keiner weiteren Umsetzung geführt haben als zu einem Eckpunktepapier, zu dem noch nicht einmal intern eine Abstimmung stattgefunden hat. Auch hier werden wir sicherlich noch Monate oder gar bis zum Ende der Legislaturperiode warten müssen, bis es zumindest einen vorzeigbaren Entwurf gibt, geschweige denn eine Einigung innerhalb der Koalition.
Die Novelle zum Verbraucherinformationsgesetz, deren Vorlage wir in den nächsten Tagen erwarten, enthält keine Aussagen im Hinblick auf Finanzprodukte. Dabei – auch das möchte ich sagen – hat sich der Kollege Goldmann von der FDP im Jahre 2009 – damals noch in
der Opposition – an das Redepult gestellt und gesagt, ganz wichtig sei es, im Rahmen der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes die Ausweitung auf die Finanzprodukte zu installieren. Die Novelle zum VIG wird das jedoch nicht vorsehen.
Man sieht also: Das, was man damals gefordert hat, ist in Regierungsverantwortung auf einmal nicht mehr umsetzbar. Auch hier scheint die Koalition nichts miteinander auf den Weg bringen zu können. Was bewirken Sie mit einer solchen Vorgehensweise? Sie zerstören
nicht nur das Vertrauen in den Markt, sondern – das ist noch viel wichtiger für uns alle – Sie zerstören das Vertrauen in die Demokratie. Wenn wir es jetzt nicht geregelt bekommen, vernünftige Strukturen der Aufsicht zu installieren, dann tragen Sie die Verantwortung.
Wir wollen für die Verbraucherinnen und Verbraucher Zugänge zu einer freien und unabhängigen Finanzberatung schaffen. Dabei spielen die Verbraucherzentralen eine ganz wichtige Rolle. Diese brauchen – über die Frage nach einem Marktwächter hinaus – weitere eigene Mittel, um ihre Angebote in der Finanzberatung ausweiten zu können. Denn die Verbraucherzentralen sind für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine zentrale und wichtige Anlaufstelle im Bereich der unabhängigen Beratung.
Zum Schluss möchte ich unsere Forderung nach der Intensivierung der Verbraucherbildung bekräftigen. Wir brauchen insbesondere im Finanzwesen nicht nur eine bessere Information, sondern auch Bildungsarbeit. Diese vermisse ich seitens der Bundesregierung. Auch hier waren wir im Jahr 2009 gemeinsam längst weiter; denn da hatten wir schon beschlossen, Konzepte zur ökonomischen Bildung von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu entwickeln. Nichts davon ist passiert. Das wäre ja auch zu schön gewesen!
Alles in allem geht der Antrag der Grünen in die richtige Richtung, weil er unseren Forderungen von 2009 und denen, die wir in den letzten Monaten immer wieder aufgestellt haben, sehr entgegenkommt. Ich gehe davon aus, dass wir hier mit dieser Koalition und dieser Bundesregierung nicht weiterkommen. Deshalb werden wir auf diese Maßnahmen noch lange warten können. Herzlichen Dank.