Rede von Kerstin Tack am 21.11.2012

Quelle "Deutscher Bundestag"

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des

Kerstin Tack (SPD):

Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sagen, was ist, das möchten wir auch. Wir sind in der Verbraucherpolitik mindestens mangelhaft, wenn nicht ungenügend aufgestellt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
– Schön, dass Sie noch aufgewacht sind. Das ist ja ein erster Anfang.

Wenn ich sage, wir in Deutschland sind in der Verbraucherpolitik mindestens mangelhaft, wenn nicht ungenügend aufgestellt, dann meine ich beispielsweise den Anlegerschutz.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch Schwachsinn! Das ist doch dummes Zeug, was Sie da reden! Welches andere Land ist so gut aufgestellt? War es in Dänemark oder in England besser?)
– Regen Sie sich nicht auf! Jetzt rede ich. Sie sind heute nicht dran. Zumindest haben Sie keine Redezeit bekommen.

Frau Aigner, was Sie zu den Dispozinsen vorgelegt haben, ist nicht genug für eine Ministerin, die noch im Frühjahr der Meinung war, sie müsste die Verbraucherinnen und Verbraucher an dieser Stelle schützen. Das reicht nicht.

Beim Thema Honorarberatung hat Ihnen Ihre eigene Koalition die Zuständigkeit entzogen. Das ist ein Affront gegenüber der eigenen Ministerin. Das haben wir interessiert zur Kenntnis genommen. Die Vorlage, die von Herrn Schäuble kommt, ist auch ungenügend. Dieses Verfahren ist leider einer Verbraucherministerin in Deutschland nicht würdig, und in der Vorlage ist nichts enthalten, was die Anleger und Verbraucher schützen würde.

Statt Vorschläge für ein modernes Datenschutzrecht vorzulegen, haben Sie es vorgezogen, ausschließlich persönliche Konsequenzen zu ziehen. Das ist einer Ministerin, die für den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in der digitalen Welt zuständig ist, unwürdig.

Die Idee einer Stiftung Datenschutz ist gleich ganz gescheitert.
Die Stiftung Finanzdienstleistung ist eine Mogelpackung. Jetzt geben Sie der Stiftung Warentest zurück, was Sie ihr vorher genommen haben.

Die Hygieneampel an Restauranttüren, Frau Heil, ist keine Idee der Opposition, sondern geltende Beschlusslage aller Verbraucherminister in Deutschland, auch der der Union. Mit dem, was Sie hier machen, erweisen Sie den Verbraucherministerinnen und -ministern einen Bärendienst. Wenn die Hygieneampel an Restauranttüren auf Rot steht, dann bedeutet das nicht, dass man nicht hineingehen darf. Vielmehr hat man Wahlfreiheit und kann trotzdem die entsprechende Lokalität aufsuchen. Es ist sehr arm, Frau Ministerin, dass Sie diese Idee nicht aufgreifen.

Ähnlich verhält es sich mit der Plattform „lebensmittelklarheit.de“. Weil sie noch nie das Kind der Koalition war, ist verständlich, warum im Moment so sehr darüber diskutiert wird, wie man am besten einstampfen kann, was man sowieso noch nie wollte. Seien Sie doch ehrlich und sagen Sie, dass Sie das nicht wollen, anstatt zu behaupten, dass das Ganze nicht funktioniert.

In Bayern ist Frau Aigner zwar ganz klar für gentechnikfreie Regionen, in Brüssel aber stimmt sie allem zu, was der Zulassung von GVO dient. Auch das ist einer Verbraucherministerin, die den Verbraucherwillen in Deutschland im Blick haben sollte, nicht würdig.

Im Gesundheitsbereich gibt es Frau Aigner nicht. Sie kommt schlicht und ergreifend nicht vor, obwohl auch hier Verbraucherpolitik betrieben werden muss. Die Patientinnen und Patienten sind bei ihr nicht gut aufgehoben.

Die Inkassounternehmen können weiterhin irrwitzige Abmahngebühren verlangen, weil die Koalition seit Frühjahr dieses Jahres nicht in der Lage ist, ein Anti-Abzocke-Gesetz auf den Weg zu bringen. Sie nimmt damit in Kauf, dass Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin täglich mit Abmahngebühren hochgradig belastet werden. Wir halten das für einen Skandal. Ich finde, auch eine deutsche Verbraucherministerin muss dies skandalisieren, selbst wenn es Schwierigkeiten mit der eigenen Koalition gibt.

Nun sollen 25 Millionen Euro mehr zur Information der Verbraucher ausgegeben werden. Frau Heil sagt gleichzeitig, man wolle keine Informationsflut. Es erschließt sich nicht wirklich, wie das zusammenpasst. Mehr Information schadet zwar nicht, aber es muss doch auch klar sein, was man damit will.

Wir wollen den Ausbau von Forschung. Wir wollen, dass man sich mit der Effektivität all unserer politischen Entscheidungen für die Verbraucherpolitik auseinandersetzt. Wir wollen, dass klar ist, welche Instrumente zum Ziel führen. Wir wollen, dass durch qualifizierte Forschung bessere finanzielle Anreize gegen bessere Kontrollen abgewogen werden. Wir wollen, dass klar ist, ob Produktinformationen verständlich sind oder nicht. Dazu brauchen wir entsprechende Bedingungen und vor allen Dingen Forschungsvorhaben, die uns das dokumentieren.

Last, but not least: Ja, wir wollen einen Marktwächter. Wir wollen ihn starkmachen. Wir wollen ihn nicht irgendwie. Ich denke, dass wir da nicht weit auseinanderliegen; denn wir haben die Einführung dieses Marktwächters in der Großen Koalition 2008 gemeinsam beschlossen. Sie wollen das nicht wahrhaben, aber es ist nun einmal so. Wir wollen ihn, weil nach unserer Ansicht die Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht darauf haben, dass ihre Interessenvertretung bei einem sehr starken Markt ein Gewicht bekommt. Deshalb wollen wir neben dem Finanzmarktwächter auch einen Marktwächter für Gesundheit, für digitale Welt und für Energie. Denn wir glauben, dass dies Bereiche sind, in denen starke Verbraucherstimmen, und zwar kollektiv, gegenüber einer starken Anbieterseite von Nutzen sein können. Wir wollen damit der Aufsicht die Chance geben, effektiv tätig zu werden, indem sie gezielten Hinweisen, die sie durch das System der Marktwächter erhalten, nachgehen können.

Wir glauben, dass das allemal sinnvoll eingesetztes Geld für gelingende und gute Verbraucherpolitik in Deutschland ist. Wir stellen unsere Vorschläge heute zur Abstimmung und freuen uns auf Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.