Rede von Kerstin Tack im Deutschen Bundestag am 22.04.2020

Quelle: Deutscher Bundestag

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des


Kerstin Tack (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass wir uns in der vermutlich größten Herausforderung der Menschheit befinden und wir diese Situation noch lange nicht überwunden haben – wenn wir sie überhaupt irgendwann überwinden werden. Wir haben aber hier im Deutschen Bundestag – das war, glaube ich, sehr gut – als Allererstes einen Rettungsschirm für Arbeitsplätze beschlossen –

(Beifall bei der SPD)

das geschah Ende März hier in diesem Hohen Hause, und zwar einstimmig, durch die Unterstützung des kompletten Parlamentes –, und zwar in einer Höhe von 60 bzw. 67 Prozent. Das haben wir einstimmig beschlossen, und das war richtig, weil wir auch in der Krise 2008/2009 damit eingestiegen sind und im Nachhinein noch mal erhöht und aufgestockt haben. Deshalb ist die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt auch richtig, weil wir alle wissen, was es für Familien, was es für den Einzelnen heißt, in dieser Situation auf mehr als 20, 30 Prozent seines Einkommens zu verzichten. Wir alle können uns vorstellen, was das bedeutet. Es trifft nicht nur die unteren Lohngruppen, es trifft genauso die Schichtzulagen und anderes. Es trifft die Facharbeitenden ganz genauso wie die mit den niedrigen Löhnen. Wer stockt heute auf? In der Regel sind die aufstockenden Betriebe die tarifgebundenen Betriebe. Was heißt das also? Tarifgebundene Beschäftigte profitieren dreifach. Das ist gut so. Erstens profitieren sie, weil sie in guten Zeiten bessere Löhne als andere in ihrer Branche bekommen durch die Tarifbindung. Zweitens profitieren sie davon, dass sie durch ihre höheren Löhne bei Kurzarbeit auch ein deutlich höheres Kurzarbeitergeld bekommen. Und drittens profitieren sie davon, dass sie sich – tarifgebunden – in der Regel in Betrieben befinden, die auch noch aufstocken. Was lernen wir daraus? Tarifbindung ist das A und O für eine gute soziale Partnerschaft, und deshalb ist Tarifbindung eines der zentralen Elemente, für die es sich jeden Tag aufs Neue deutlich zu kämpfen lohnt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber – und auch das ist richtig – die, die heute sagen: „Eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, das brauchen wir nicht!“, sind doch genau diejenigen, die in vier Wochen zu uns kommen und rufen werden: Wir brauchen dringend Konjunkturprogramme für die Wirtschaft. – Ja, aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn Kaufkraft in diesem Land? Und ist nicht gerade deshalb die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auch für die Wirtschaft zentral? Denn genau das, was wir erleben werden, nämlich dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Produkte am Markt an den Mann und an die Frau zu bringen, bedeutet doch, dass wir Beschäftigte brauchen, die auch in der Lage sind, zu konsumieren. Das ist ein Teil gelingender Konjunkturpolitik, das ist eine Win-win-Situation. Auch deshalb sind wir für eine deutliche Anhebung des Kurzarbeitergeldes, und wir hoffen sehr darauf, dass wir genau das in wenigen Minuten auch durch den schon erwähnten Koalitionsausschuss noch mal bestätigt bekommen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in einer Zeit leben, wo wir nicht nur für die Wirtschaft einen Rettungsschirm nach dem anderen machen und bei Bedarf erneuern und erweitern. Jetzt ist die Zeit, auch an die Beschäftigten zu denken. Auch sie müssen bessergestellt und ihr Schutzschirm erweitert werden. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)