Plenarsitzung Donnerstag 26.05.2011 TOP 13

Rede Kerstin Tack, SPD

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften – Drucksachen 17/4984, 17/5392

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) – Drucksache 17/5953 (neu)

Quelle "Deutscher Bundestag"

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir befassen uns heute abschließend in zweiter und dritter Beratung mit der Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches.

Es gibt zwei Punkte aus dem 14-Punkte-Plan, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern vor vier Monaten im Zuge des Dioxinskandals vereinbart hat. Ich möchte betonen: vor vier Monaten. Es wurde nämlich behauptet, man sei fix gewesen. Zur Verdeutlichung:
Es ist bereits vier Monate her.

Mit der Gesetzesänderung wird die Meldepflicht für private Labore festgeschrieben. Künftig müssen sie bedenkliche Mengen an gesundheitsgefährdenden und daher nicht erwünschten Stoffen, die sie in untersuchten Lebens- und Futtermitteln feststellen, an die zuständigen
Behörden melden. Ferner werden die Lebens- und Futtermittelunternehmen verpflichtet, den zuständigen Behörden ebenfalls Ergebnisse der Eigenkontrollen mitzuteilen.
Die SPD-Fraktion begrüßt die Gesetzesinitiative ausdrücklich, weil sie Teil des schon Anfang des Jahres von uns vorgelegten Aktionsplanes gewesen ist, den die Bundesregierung in weiten Teilen übernommen hat.

Die Verpflichtung von Lebens- und Futtermittelunternehmen, Ergebnisse der Eigenkontrollen an die zuständigen Behörden zu melden, ist ein Fortschritt. Allerdings sind noch weitere strenge Kontrollen von Futterfetten vorzuschreiben, und die Hersteller müssen verpflichtet
werden, jede Charge beproben zu lassen.

Die Futtermittelfette sind als Haupteingangsquelle der fettlöslichen Dioxine besonders sensibel; sie sind deshalb schärfer zu überwachen. Auch muss eine offene und vollständige
Deklaration aller Futtermittelinhaltsstoffe umgesetzt werden, und es muss dafür gesorgt werden, dass nur sichere Bestandteile in die Futtermittelkette gelangen können.
Mit der Meldepflicht für die privaten Labore werden diese ganz besonders in die Informationskette des aufzubauenden Frühwarnsystems einbezogen; ihnen wird eine
neue Beteiligungsrolle zugeschrieben. Die Meldepflicht bedeutet auch eine neue Herausforderung hinsichtlich der Gestaltung der Aufträge der Unternehmen an die Labore;
denn bisher waren die Labore oft nicht unterrichtet, was mit den Stoffen, die sie zur Beprobung bekommen hatten, tatsächlich passieren sollte. Das wird sich künftig, wenn die Labore in die Mitteilungskette einbezogen werden, deutlich ändern müssen. Auch war bisher
die Beurteilung der Ergebnisse nicht Teil des Laborauftrages. Vielmehr ging es ausschließlich um die Mitteilung der Untersuchungsergebnisse.

Die notwendige Rechtsverordnung, die jetzt dieses Gesetz untermauern soll, ist besonders wichtig. Wir erwarten deswegen eine Vorlage dieser Rechtsverordnung noch vor der Sommerpause; denn die Labore sind verunsichert.
– Genau, vor der Sommerpause 2011; davon gehe ich aus. – Die Labore wissen in der Regel nicht, wie sie das Gesetz umzusetzen haben. Die Bundesregierung bleibt die Vorlage schuldig.
Eines ist klar und wichtig: Dieses Gesetz beschreibt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem 14-Punkte-Plan.Mit den ergriffenen Maßnahmen, die hier heute zur Beschlussfassung
stehen, wird keine bessere Information der Verbraucherinnen und Verbraucher verwirklicht. Die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit wird nicht deutlich erhöht. Der Verwaltungsvollzug wird nicht effizienter. Der Informationsfluss zwischen Gemeinden, Ländern und Bund wird nicht effektiv und wirksam verstärkt. Dazu sind weitere Maßnahmen erforderlich, auf deren Vorlage wir noch warten.

Die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes muss endlich erfolgen. In der Novelle muss geregelt werden, dass sämtliche Untersuchungsergebnisse der betrieblichen
Eigenkontrollen sowie die staatlichen Untersuchungsergebnisse in aufgearbeiteter Form in einer Datenbank veröffentlicht werden.
Um die aktive Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Grenzwert-überschreitungen zu gewährleisten, müssen die Behörden verpflichtet werden,
Untersuchungsergebnisse von sich aus zu veröffentlichen.
Hierzu ist § 40 LFGB in das Verbraucherinformationsgesetz zu integrieren und die Sollvorschrift in § 40 LFGB in eine Istvorschrift umzuwandeln. Die Abwägungsklausel ist zu streichen. Auf einer Internetseite sind Ross und Reiter sehr deutlich zu benennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung ist auch noch die Vorlage einer Positivliste schuldig. Diese soll auf europäischer Ebene verbindlich festgelegt werden; das ist richtig. Aber wir unterstützen ganz ausdrücklich die Forderung, die die Bundesländer der Bundesregierung gestellt haben: Wenn wir auf der europäischen Ebene zu keiner Lösung kommen, dann muss es eine nationale Lösung für die Positivliste geben.
Wir unterstützen die Bundesländer auch darin, zu sagen: Wenn eine Umsetzung in Europa bis Sommer 2011 nicht möglich ist, dann erwarten wir eine nationale Regelung und bitten die Bundesregierung, diese hier vorzulegen.

Eine besondere Herausforderung besteht auch und gerade bei der Schaffung von Haftungsregelungen. Die Landwirte, die letztendlich die Opfer und Leidtragenden des Dioxinskandals waren, sind beträchtlich zu Schaden gekommen; dieser Schaden ist bisher nicht abgegolten. Deshalb brauchen wir hier schnellstmöglich und dringend Vorschläge, wie eine Haftungsregelung in Zukunft aussehen kann.
Es ist vernünftig, wenn die Bundesregierung jetzt sagt: Wir wollen uns mithilfe einer Studie weiter beraten lassen. Ich warne aber davor, hier zu viel Zeit ins Land gehen zu lassen. Bisher hat es nicht einmal eine Vergabe gegeben. Wir können uns aber vorstellen, dass ein neuer Skandal kommt, vielleicht auch in geringerer Dimension. Dann hätten wir jedoch nichts auf den Weg gebracht. Insofern gehen wir davon aus, dass der Bundesregierung die richtige Zeitschiene sehr wohl bekannt ist: Es muss zügig gehandelt werden.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auch auf, die Umstände des Dioxinskandals zum Anlass zu nehmen, einen Gesetzentwurf zur Regelung des Informantenschutzes vorzulegen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die zuständigen Behörden über Missstände im eigenen Betrieb informieren, müssen gesetzlich vor Benachteiligungen geschützt werden. Bereits in der öffentlichen Anhörung des Verbraucherausschusses am 4. Juni 2008 ist die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen Regelung deutlich geworden.

Wir brauchen eine gläserne Produktion und eine funktionierende Verbraucherinformation. Leider schützt die Koalition die Futtermittelpanscher und nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie schlägt nämlich vor, dass die Öffentlichkeit von Grenzwertüberschreitungen nichts erfährt, solange die so produzierten Erzeugnisse nicht in den Verkehr gelangen.
Wir wollen das nicht.
Deshalb schlagen wir in unserem Entschließungsantrag eine Veröffentlichungspflicht vor. Aus unserer Sicht sieht so eine vernünftige Verbraucherpolitik aus. Wir bitten daher um Unterstützung unseres Entschließungsantrags.

Herzlichen Dank.