Mein Praktikum im Bundestag bei der SPD-Abgeordneten Kerstin Tack - Jill Bludau

Zwischen dem 11.04. und dem 21.04.2011 konnte ich ein Schülerpraktikum im Bundestag und im BürgerInnenbüro der Abgeordneten Kerstin Tack machen. In diesem fast zweiwöchigen außerschulischen Praktikum durfte ich (Schülerin einer 9. Klasse der IGS Mühlenberg, Hannover) an der Seite von Kerstin Tack einen Einblick in das Berufsleben einer Bundestagsabgeordneten werfen!

Die erste Woche meines Praktikums fand dabei in Berlin statt und zwar während einer Sitzungswoche. Das sind die Wochen, in denen das Parlament und die verschiedenen Arbeitskreise und Gruppen tagen; der Zeitplan für die Sitzungswochen ist jeweils schon für ein Jahr im Voraus festgelegt. Weil in meiner ersten Woche die AGs, die Ausschüsse und auch das Plenum (quasi die Vollversammlung des Bundestages mit allen Abgeordneten) getagt haben, hatte ich die Gelegenheit Kerstin Tack in den ELV -Ausschuss zu begleiten (Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), in dem sie besonders zuständig ist für den Bereich Verbraucherschutz. Dabei ist sie Berichterstatterin für die Themenbereiche: Gesundheitlicher Verbraucherschutz und –Politik, Internationaler Handel, die EU-Verbraucherrechterichtlinie, Patientenschutz und Patientenrechte und für Finanzdienstleistungen (auch Finanz -TÜV genannt). Die Sitzung in diesem Ausschuss war – im Gegensatz zu den AGs und Beiräten - gut besucht und die Debatte zwischen den Ausschussmitgliedern sehr intensiv. Von den besprochenen Inhalten habe ich allerdings kaum etwas verstanden, dazu waren die Themen zu kompliziert und hätten Kenntnisse vorausgesetzt, die mir fehlen. Insgesamt hat der jetzige Bundestag 22 verschiedene Ausschüsse – und Kerstin Tack ist noch stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Aber erst einmal der Reihe nach: nachdem ich mich schon im letzten Jahr schriftlich beworben und mich in Hannover auch persönlich während einer Bürgersprechstunde vorgestellt hatte, habe ich schon vor einigen Monaten die Zusage erhalten. Dann habe ich bei meiner Patentante in Berlin die Unterkunft „klargemacht“. Am ersten Praktikumstag bin ich dann mit Bus und U-Bahn zum Brandenburger Tor gefahren und habe noch einmal tief Luft geholt. Jetzt standen zunächst einige Förmlichkeiten auf dem Programm: Abholung und Eintreffen im Büro, Kennenlernen der Mitarbeiterinnen im Jakob-Kaiser-Haus, nämlich Heidi Röder, Katrin Willmann und Meike Fenner. Mein schriftlicher Ablaufplan war genau wie mein Stundenplan in der Schule, nur dass dort eben nicht Mathe und Bio an der Reihe waren, sondern was auf mich zukommen sollte war: den Hausausweis beantragen, Foto dazu machen, fertigen Ausweis abholen, anschließend eine fast zweistündige Führung, bei der mir Katrin Willmann die einzelnen Arbeits- und Einsatzorte gezeigt und erklärt hat, z.B. das Paul-Löbe-Haus, Jakob-Kaiser-Haus usw. Kurz nach der Mittagspause ging es dann schon in die erste Sitzung (ELV) zum Thema „Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuch“, sicher wichtig, aber sehr, sehr verwirrend! Als ich um 17:30 Uhr zuhause (bei meiner Tante) ankam, war ich total müde und der Kopf qualmte vor lauter neuen Eindrücken und Begriffen wie „Plenum, Fraktion, Koalition, Netzwerker, Kommunen, Infrastruktur und Hammelsprung“.

Und so ging es die nächsten Tage weiter mit einem straffen Arbeitspensum, bei dem zwischendurch noch eine Schulklasse aus Hannover begrüßt und betreut wurde (Schüler aus Bothfeld), eine Teilnehmerin am Girl`s Day betreut wurde, Infomaterialien zusammengestellt und gepackt wurden, Telefonate und andere Gespräche mit Abgeordneten aus anderen Parteien geführt werden mussten. Ich hatte den Eindruck, dass kaum Luft für Pausen oder Essen bleiben, ständig ist was los – interessant aber super anstrengend!

Der Höhepunkt in Berlin war dann die Debatte im Bundestag (Plenum!) zum Thema „PID“, das ist die Abkürzung von Präimplantationsdiagnostik (und man versteht darunter die Analyse von in der Regel zwei Zellen, die dem mehrzelligen Embryo entnommen werden, um vor der Implantation genetische Anomalien festzustellen oder aber auch das Geschlecht des Embryos zu bestimmen; hab ich aus Wikipedia gegoogelt) Zum Glück wusste ich schon ca. 2 Tage vorher, worum es in dieser Debatte ging und konnte mir in Ruhe zuhause das Infomaterial durchlesen. Erst habe ich auf der Zuhörertribüne im Plenarsaal gesessen und anschließend die Debatte noch einmal im TV verfolgt. Das Spannende an dieser Debatte war, und dies machte sie so besonders und für mich noch mehr zum Highlight und besten Abschluss für das Ende meiner ersten Praktikumswoche, dass dies die einzige Abstimmung war, bei der vorher noch nicht klar war, wie das Ergebnis ausfallen würde. Außerdem wurde die Debatte namentlich abgestimmt und nicht per Fraktionsdisziplin. Das heißt, wenn ein Abgeordneter/e eine andere Meinung hat als die Gesamtheit der Fraktion, kann er (bzw. sie) gegen sie stimmen und sich für den anderen Gesetzesentwurf entscheiden.

Als besonders nett und sympathisch habe ich Kerstin Tack und die Mitarbeiterinnen die ganze Zeit empfunden, aber richtig toll fand ich, dass ich einmal mit ihr zum Mittagessen ins Abgeordneten-Restaurant durfte: edel und lecker! (Hier habe ich zum ersten Mal im Leben dankbar daran gedacht, dass meine Eltern mir ordentliche Tischmanieren beigebracht haben.). Und immer wieder habe ich mich gefragt, wie man ein so hartes und anstrengendes Arbeitspensum mit so guter Laune wie Kerstin Tack durchhält?!

Die zweite Woche in Hannover (BürgerInnenbüro) war zwar etwas lockerer und entspannter, aber auch hier rissen die Aufgaben für die freundlichen Mitarbeiter keineswegs ab; es mussten Termine vereinbart, koordiniert, verlegt, manchmal auch höflich abgesagt werden; Gespräche mit Bürgern aus dem Wahlbezirk geführt, ihre Sorgen und Nöte, manchmal auch ihre Kritik angehört werden. Am Ende war ich froh, dass wegen des bevorstehenden Osterfestes der Karfreitag auch für uns alle im Büro ein freier Tag sein sollte! Zum Abschied habe ich dann noch ein Buch und Infomaterial als Geschenk bekommen, damit ich die komplizierten Vorgänge und Mechanismen im politischen Geschehen Schritt für Schritt noch besser verstehe und langfristig auch behalte. Für heute kann ich sagen: irre interessant, abwechslungsreich, viel „move and drive“, ordentlich Stress und Power, aber (jedenfalls bei Kerstin Tack) mit ganz viel Geduld und supernett! Dieses Praktikum hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass es sehr wichtig ist, wählen zu gehen, da man mitentscheiden kann, was „da“ passiert und vor allem, wer deine Meinung am Besten vertritt!! Danke

Jil

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Heidi Röder (sitzend) und Jil im Berliner Bundestagsbüro